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#coworking space
#home #intellectual communication #workplace

Third Space
Lisa Odert

1.
Ob als historisch gewachsene oder geplante Orte, ob als Orte der nachbarschaftlichen Zusammenkunft oder als Orte des normierten Entertainments: Dritte Orte bleiben nach wie vor Orte der Vergesellschaftung, wenn auch sich der Modus der Vergesellschaftung verändert.1

Der Terminus Third Space zeichnet sich durch seine Diversität an unterschiedlichen Bedeutungsinhalten aus. Die soziale Komponente ist jedoch in jeglicher Ausführung verwurzelt. Im Zuge der Beschäftigung mit dem Ausdruck kreierten sämtliche Theoretiker eine eigenständige Definition des Phänomens Third Space. Der Begriff unterliegt einem ständigen Wandel, welcher die Veränderungen und Bedürfnisse der Gesellschaft zum Ausdruck bringt.


#urbanfish
#status #diversity management #gentrification

2.
Die Entwicklung des Wortes Third Space beginnt zur Zeit der Industrialisierung mit dem aufkommenden Standardisierungsprozess. Die funktionale Trennung von Wohnen, Arbeiten und Freizeit ging vom Städtebau der Vereinigten Staaten von Amerika zur Zeit der Moderne aus. Die zunehmende Bevölkerungsdichte, der daraus resultierende Platzmangel und der niedrige Lebensstandard legitimierten die Funktionalisierung der vormodernen Städte.

Jedoch führte die fehlende urbane Durchmischung dieser Nutzungen in den modernen Städte zu sozialer Verwahrlosung. Der standardisierte Städtebau der Moderne verdrängte das menschliche Individuum aus dem Mittelpunkt der Stadtplanung. Für die Gesellschaft bedeutete diese Entwicklung den Verlust von gemeinschaftlichen Begegnungsräumen: Städte boten keine Orte für gesellschaftlichen Austausch oder zur Knüpfung von sozialen Kontakten. Die Individuen zogen sich zurück, was zu einem Bruch im Gemeinwesen führte.

Eine der bekanntesten Stadt- und Architekturkritikerinnen der Moderne, Jane Jacobs, kritisierte diesen negativen Wandel 1961 in ihrem Buch The Death and Life of Great American Cities. Jacobs machte unter anderem die Strategie der Funktionstrennung für die Zerstörung des Gemeinwesens und der Wirtschaft verantwortlich.


#betahouse
#think tank #low command structure #success

3.
Den Zusammenhang zwischen der negativen architektonischen Entwicklung und der zurückgehenden Gemeinschaftsbildung seit dem Beginn der Moderne in den 1920er Jahren erkannte auch der Stadtsoziologe Ray Oldenburg. Die Auseinandersetzung mit der Thematik führte Oldenburg zu Sigmund Freuds These Des Dualismus des Raumes.
Nach Freuds Auffassung brauche das menschliche Individuum lediglich zwei Orte, um seine Erfüllung zu finden: den First Space (Wohnort) und den Second Space (Arbeitsplatz).2 Oldenburg meinte aber, dass eine Gesellschaft mit starken gemeinschaftlichen Bindungen erst durch das Bestehen von sozialen Räumen entstehen kann: Der Raum produziert die Gesellschaft. In diesem Sinne ergänzte Oldenburg Freuds These um den Begriff Third Space (gemeinschaftlicher Ort). 1989 veröffentlichte Oldenburg seine Erkenntnisse in dem Buch The Great Good Place. Durch die scharfe Kritik am Städtebau der Moderne und Aussagen wie „America goes from bad to worse“3 erfuhr sein Werk zu Beginn starke Ablehnung.


#numéro 3
#start-ups #high efficiency #mix of function

In The Great Good Place veranschaulichte Oldenburg die Notwendigkeit von Third Spaces in der Gesellschaft. Er zeigte die Wichtigkeit einer Balance zwischen First, Second und Third Space zur Befriedigung der gesellschaftlichen Bedürfnisse und der städtebaulichen Notwendigkeiten. Oldenburg forderte einen radikalen Sinneswandel im Hinblick auf die Homogenität der Städte: Er propagierte die Schaffung von heterogenen Funktionsmischungen innerhalb von Gebäuden, Vierteln und ganzen Städten. Zudem verfasste Oldenburg eine Definition des Begriffes Third Space. Das Konzept baute auf acht Aspekten auf: Neutral Ground, Leveler, Conversation, Accessibility and Accommodation, Regulars, Low Profile, Playful Mood, A Home away from Home.

Nach der Definition von Oldenburg wäre ein von Studierenden autonom geführter Architekturzeichensaal4 an einer Universität ein Third Space. Er zeichnet sich als neutraler Ort ohne politische oder Rechtsansprüche aus, der jederzeit gut erreichbar ist. Das Gefühl der Gemeinschaft überwiegt den sozialen und wirtschaftlichen Status des Einzelnen. Akzeptanz wird jedem entgegen gebracht, der sich als Teil der Gemeinschaft sieht und die Regeln befolgt. Neue Mitglieder werden von den älteren Gruppenangehörigen unter ihre Fittiche genommen. Hauptaspekt ist die Kommunikation und der gesellschaftliche Austausch in einer entspannten und bereichernden Atmosphäre. Der Zeichensaal fungiert als Ort, an dem man sich wohlfühlen kann, von dem man profitiert und an dem man anerkannt wird: Er kann ein zweites Zuhause sein, für andere ist er ein Raum des Austausches.


#nunzig
#creativity #progress #vacancy activation

4.
Der Stadtplaner und Geograph Edward Soja näherte sich der Problematik der negativen architektonischen Entwicklung und der zurückgehenden Gemeinschaftsbildung in der Moderne über die Analyse einer Vielzahl von Arbeiten unterschiedlicher Intellektueller an. Besondere Aufmerksamkeit schenkte Soja den Schriften von Henri Lefebvre, Michel Foucault und Homi K. Bhabha. Am meisten jedoch beeinflusste Soja Lefebvres Produktion von Raum von 1974.

In diesem Werk erläuterte Lefebvre ausführlich seinen Standpunkt zu den Drei Momente des sozialen Raumes: Räumliche Praxis, Darstellung des Raumes und Raum der Darstellung. Grundgedanke dieser These war die Anschauung, dass durch das Bestehen einer Gesellschaft mit starken gemeinschaftlichen Bindungen soziale Räume entstehen können: Die Gesellschaft produziert den Raum. Soja übernahm diese Denkweise in seine Arbeit und entwickelte aus Lefebvres Drei Momente des sozialen Raumes sein Verständnis von Räumlichkeit: First Space (wahrgenommener Raum), Second Space (erdachter Raum) und Third Space (gelebter Raum). Der Third Space ergab sich für Soja aus der Addition des First und Second Spaces. 1996 veröffentlichte Soja das Buch Thirdspace. Journeys to Los Angeles and other real-and-imagined Places.


#spacelend
#style factory #exclusive community #flexibility

In seinem Werk veranschaulichte er die Wichtigkeit jedes Individuums in der Gesellschaft und zeigte die Beziehung von Mensch und Raum. Zudem verurteilte Soja den Formalismus, die Standardisierung und die Abkehr vom menschlichen Individuum in der Architektur der Moderne. Durch die heftige Kritik, die Soja an der Stadtplanung der Moderne in den Vereinigten Staaten von Amerika äußerte, und durch die Nähe zu Lefebvres Arbeiten wurden Sojas Bestrebungen von Stadtplanern und politischen Instanzen als revolutionär gesehen.

Die Betrachtung von Sojas Third Space am Beispiel der Universität trägt zum besseren Verständnis der Definition bei: Der First Space definiert den empirisch messbaren, realen Charakter des Gebäudes (Signifikant). Der Second Space beschreibt die ideologische Komponente, die Produktion und den Austausch von Wissen (Signifikat). Der Third Space bezeichnet die Verknüpfung des realen Charakters und der ideologischen Komponente: das Erkennen des gelebten Raumes als Signifikant und Signifikat (Thirding as Othering)5. Die Universität ist ein gebauter Ort, an dem Individuen soziale Beziehungen knüpfen, sich Wissen aneignen oder weitergeben und Teil der kulturellen Bildung der Gesellschaft sind.


#neno
#performance #modern thinking #knowledge

5.
Oldenburgs und Sojas Arbeiten ist ihre kritische Haltung gegenüber dem angewandten Städtebau der Moderne gemein: Sie fordern die Abkehr vom standardisierten Formalismus der Moderne zugunsten einer Architektur, deren Fokus wieder auf den menschlichen Individuen und deren Bedürfnissen liegt. Der Begriff Third Space transportiert bei beiden Strömungen einen revolutionären Aspekt, der sich jedoch durch die Weiterentwicklung des Ausdrucks verloren hat.

Soja entwickelte einen theoretischen, philosophischen Zugang zum Terminus Third Space. Mit seinem Konzept begründete er eine neue Art des räumlichen Denkens: Die Wahrnehmung von Raum auf materieller, symbolischer und erfahrbarer Ebene.
Oldenburg hingegen konzipierte eine praktische Idee von Third Space. Von Beginn an beabsichtigte er die Beeinflussung und Neuorientierung des Städtebaus der Moderne. Resultierend aus diesem praktischen Potential erfuhr Oldenburgs Third Space in den letzten Jahren große Resonanz.


#citizen space
#collective #inspiration #personality development

6.
Der ursprünglichen Definition von Third Space stehen nun aktuelle, dem Zeitgeist der heutigen Gesellschaft entsprechende Vorstellungen von einem Gemeinschaftsgefüge gegenüber: New Third Space, Architecture of Peace (Archis), Virtual Third Space, Marketing & Consumption, Coworking & Creative Hubs, Urbane Begegnungszonen und viele weitere mehr. Nahezu allen gemein ist, dass die von Oldenburg verfassten Merkmale nicht mehr zutreffen müssen, um als Third Space gelten zu dürfen. Dennoch versuchen Konzepte wie Architecture of Peace oder Coworking & Creative Hubs, ganz im Sinne von Oldenburg, soziale Bindungen und Beziehungsnetzwerke aufzubauen. Die Basis bilden Kommunikation, Verständnis sowie gesellschaftlicher und kultureller Austausch innerhalb eines neutralen Bezugsraums.
Virtual Third Space und Marketing & Consumption sind Vorzeigebegriffe der neuen Definition. Die soziale Komponente und die Kommunikation treten zugunsten von Verkaufsstrategien oder digitaler globaler Vernetzung in den Hintergrund.

Die Ursache für die Auslegungsvielfalt des Ausdruck Third Space liegt in der unterschiedlichen Entwicklung der Gesellschaft. Die fehlenden Beziehungsebenen zwischen den menschlichen Individuen in der Moderne führten zur Privatisierung des öffentlichen Raumes. Die Etablierung von Third Spaces in den funktionalisierten Städten der Moderne war der Versuch von Stadtplanern und Soziologen, Begegnungszonen für die gesellschaftliche Interaktion der Individuen zu schaffen. Die Privatisierung von öffentlichem Raum setzt sich jedoch bis in die Gegenwart fort. (Urbane Begegnungszonen, Abs. 13 / Urban Gardening, Abs. 6 / Vertical Public Space, Abs. 4).


#coworking salzburg
#work & leisure #access 24/7 #global networking

7.
Soziale Interaktion wird durch die Privatisierung von öffentlichem Raum zunehmend verdrängt. Die Beziehungsgefüge innerhalb der Gesellschaft wandeln sich von einem bereichernden Miteinander der Individuen zu einem distanzierten Nebeneinander der Akteure (höfliche Gleichgültigkeit)6. Nicht die Bedeutungserweiterung des Wortes Third Space erregt Aufsehen. Kritisch zu betrachten ist die Gewichtung der Bedeutungen: Der einst zukunftsorientierte Begriff verlor im Laufe der Jahre an kulturellem und sozialem Wert. Vor allem die soziale Komponente wird in den neuen Third Spaces von den neu beigefügten Bedeutungen überlagert. Jene Entwicklungen, bei denen die neuen Third Spaces die soziale und oder kulturelle Komponente jedoch hinter sich lassen oder diese ausschließlich als nettes Beiwerk mit sich tragen, sind zu hinterfragen.

Ein Beispiel hierfür sind Shopping Malls: Sie suggerieren einen öffentlichen Raum, der den Bedürfnissen gesellschaftlichen Austausches nachkommt. Doch das Gegenteil ist der Fall: Shopping Malls sind private und kommerzielle Orte, die durch gekonnte Inszenierung Öffentlichkeit und somit Freiheit vortäuschen. Ihr hauptsächlicher Zweck ist das Wecken des Kaufinteresses.7


#werkheim
#image #competitiveness #economic benefits

8.
Der Grundgedanke von Third Space liegt im Erkennen der zahlreichen Beziehungsebenen im Raum und der Wahrnehmung von Raum: Räumlichkeit begrenzt und ermöglicht soziale Interaktionen von Individuen und formt somit die soziale und kulturelle Entwicklung der Gesellschaft. Die Aufgabe von Third Spaces ist das Zusammenbringen der Menschen auf einer Ebene und das Verstehen von Raum. Der architektonische Raum fungiert somit als Vermittler zwischen den verschiedenen Beziehungs- und Wahrnehmungsebenen. Die Bewahrung des reichen Bedeutungsgehaltes des Begriffes ist essentiell, damit der Ausdruck Third Space auch in Zukunft als Träger kultureller und sozialer Werte gehandelt werden kann. Das Ziel ist die aktive Beteiligung an der Entwicklung und Gestaltung der neuen Third Spaces. Bereits Jane Jacobs erkannte:

Cities have the capability of providing something for everybody, only because, and only when, they are created by everybody.8
Diese Betrachtungsweise führt zur Auseinandersetzung mit folgenden Fragen: Sind die neuen Third Spaces ausschließlich das Produkt der heutigen Konsumgesellschaft oder tragen sie noch einen tiefgreifenden Bedeutungsgehalt in sich? Legt die gegenwärtige Gesellschaft überhaupt noch Wert auf Third Spaces im Sinne von gemeinschaftlichen Räumen?

(Raumaneignung)

1 … Hellmann/Zurstiege 2008, 137.
2 … Grossman 1990.
3 … Oldenburg 1989.
4 … Die Architekturzeichensäle der TU Graz sind autonome Studentenvereinigungen der Architekturfakultät, welche in den Räumlichkeiten der alten TU Graz etabliert sind. Die Organisation und Leitung der Zeichensäle obliegt den jeweiligen Mitgliedern in Eigenverantwortlichkeit.
5 … Soja 1996, 60.
6 … Goffman 1971, 85.
7 … Mikunda 2007, 139.
8 … Jacobs 1961, 238.

Literaturverzeichnis

Goffman, Erving: Verhalten in sozialen Situationen. Strukturen und Regeln der Interaktion im öffentlichen Raum, Gütersloh 1971

Grossman, Ron: Hangouts, in: Chicago Tribune (04.02.1990), Online: http://articles.chicagotribune.com/1990-02-04/features/9001100404_1_ray-oldenburg-great-good-place-middle-america (Stand: 20.10.2014)

Hellmann, Kai-Uwe/Zurstiege, Guido (Hg.): Räume des Konsums. Über den Funktionswandel von Räumlichkeit im Zeitalter des Konsumismus, Wiesbaden 2008

Jacobs, Jane: The Death and Life of Great American Cities, New York 1961

Lefebvre, Henri: The Production of Space, Oxford u. a. 1991

Mikunda, Christian: Marketing spüren. Willkommen am Dritten Ort, Frankfurt 2002

Oldenburg, Ray: The Great Good Place. Cafes, Coffee Shops, Bookstores, Bars, Hair Salons, and Other Hangouts at the Heart of a Community, New York 1989

Soja, Edward: Third Space. Journeys to Los Angeles and other real-and-imagined Places, Oxford u. a. 111996