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Rendering
Katrin Anna Ellmer
1.
Text und Sprache rücken in der heutigen Gesellschaft immer mehr in den Hintergrund. Eine Wende hin zum Bild findet statt. Nicht nur in der Architektur, auch in anderen Bereichen wie Produktdesign, Werbung bis hin zu den Geisteswissenschaften werden das Bild und seine Darstellungsmethoden immer wichtiger. In der Architektur waren Schaubilder und perspektivische Zeichnungen schon lange ein wichtiges Kommunikations- und Werbemittel. Der Computer hat die Darstellung und Bildsprache in der Architektur jedoch verändert. Seit den 1990er Jahren ist es möglich, Modelle eines Gebäudes dreidimensional im virtuellen Raum zu erzeugen. Werden diese Modelle weiter bearbeitet und daraus Bilder produziert, spricht man von rendern. Beim rendern werden die dreidimensionalen Modelle mit Texturen belegt, Materialeigenschaften festgelegt und Lichtquellen sowie die Position und Blickrichtung des Betrachters definiert. Es entstehen realistische Bilder, die kaum von einem Foto zu unterscheiden sind.
2.
Das Wort Rendering leitet sich vom englischen to render ab und wird mit Übergabe, künstlerische Wiedergabe, Gestaltung, Vortrag, Übersetzung und Rohbewurf übersetzt.1
3.
Die ersten Renderings ähnelten eher bemalten perspektivischen Zeichnungen. Die Texturen waren grob und auch Oberflächenstrukturen und Lichteffekte waren noch nicht ausgereift. Mittlerweile ist die Entwicklung soweit, dass sogar eigene Stile im Bereich des Renderns entstehen. MIR, die führende Firma im Bereich des Architekturrenderings, beschreibt ihre Arbeit als „natural visualisation“ und sieht ihre Darstellungen als Kunst. MIR geht es weniger darum, die reale Umgebung eines Gebäudes darzustellen, sondern dem Betrachter eine Geschichte zu erzählen.
Die Landschaften wirken zwar fotorealistisch, sind jedoch am Computer geschaffene Fantasielandschaften, also die Utopie einer Landschaft.
4.
Fotorealistische Darstellungen lassen dem Betrachter wenig Freiraum; er wird in eine Szene entführt, welche so nur in Bildern existiert. Eine virtuelle Realität, in der Perspektive, Lichtverhältnisse und Stimmung des Bildes bereits von Rendering-Spezialisten und Werbefachleuten bestimmt wurden. Genau abgestimmt auf eine Kundenschicht, präsentieren sich Gebäude meist in bester Aussichtslage, schönem Wetter und inmitten einer gepflegten Parkanlage. Es werden Emotionen und Atmosphären erzeugt, um den Käufer anzusprechen. Architektur muss schließlich verkauft werden und Renderings sind dafür das adäquate Mittel.
5.
Man wird entführt, in eine Scheinwelt, wo alles sauber, schön und sorglos ist, weit weg von Umweltkatastrophen und allem Hässlichen dieser Welt und taucht in eine scheinbar reale Umgebung ein, welche es schafft, Stimmungen und Gefühle zu erzeugen. Diese Welt ist so perfekt, dass es sie eigentlich nicht geben kann. Doch das Rendering in der Hand, real und greifbar, lässt uns glauben, dass es ihn wirklich gibt, diesen wundervollen Ort (Smart City, Abs. 2).
6.
Früher wurde mittels gebauter Modelle jeder Zentimeter eines Gebäudes genau betrachtet. Pläne, Ästhetik sowie konstruktive Details konnten so kontrolliert und ausformuliert werden. Der Bau und das Einarbeiten von Änderungen an einem gebauten Architekturmodell nehmen jedoch viel Zeit in Anspruch. Heute wird Architektur oftmals ausschließlich am Computer produziert. Am virtuellen Objekt reicht ein Mausklick, um die Oberfläche oder das Material zu wechseln. Dies führt dazu, dass aus Gründen der Zeitersparnis auch das Entwerfen in vielen Fällen virtuell stattfindet. Proportionen, Oberflächen und Materialien werden verändert, bis ein zufriedenstellender Entwurf entsteht, welcher realisiert wird. Bei dieser Methode kann auf Details keine Rücksicht genommen werden, was sich in der späteren Bauphase häufig als Problem darstellt (Parametrismus, Abs. 5).
7.
Natürlich bringt die Methode des Renderns auch Vorteile. Die Materialien der Gebäude können vorab „realistisch“ dargestellt und ihre Wirkung überprüft werden. Belichtung und Beschattung im Außen- wie Innenraum, sowie Positionierung des Gebäudes am Grundstück können schon in frühen
Entwurfsphasen anhand eines Bildes kontrolliert werden. Architektur wird durch die Möglichkeiten des Renderings beeinflusst. Die Abläufe im Entwurfsprozess verändern sich dadurch. Gebaute Modelle, welche durch den hohen Zeitaufwand sehr kostenintensiv sind, werden durch Renderings ersetzt. Das Ändern eines dreidimensionalen Modells kann Tage und Wochen dauern, das Erzeugen eines neuen Bildes hingegen nur wenige Minuten in Anspruch nehmen.
8.
Die Kommunikation mit den Kunden wird vereinfacht. Für Laien ist es fast unmöglich, anhand von Plänen Architektur zu lesen und zu verstehen. Renderings können dem Kunden die Größe und Wirkung eines Raumes näher bringen und verständlicher machen. Dabei ist es jedoch nicht die Räumlichkeit einer Architektur, die somit fassbarer wird, sondern nur deren Abbild. Renderings können die Wirkung eines Entwurfs verstärken und durch die unzähligen Möglichkeiten der Darstellungen erwünschte Effekte erzielen.
Was auf dem Bildschirm erscheint, ist auf eine Weise kohärent und vereinheitlicht, wie dies beim Betrachten eines realen Objekts ganz unmöglich wäre.2
9.
Oftmals kann die fertig gebaute Architektur mit den vorab produzierten Bildern nicht mithalten. Real Gebautes wird nicht immer aus einem optimalen Winkel, bei Sonnenschein betrachtet und so verlieren die Gebäude im Vergleich zum Rendering oft an Qualität.
10.
Ein Rendering kann von der Qualität fotorealistisch sein, jedoch wird es immer ein aus Daten hergestelltes Modell zeigen. Es gibt keine Unregelmäßigkeiten und wenn diese vorhanden sind, dann wurden sie am Computer generiert.
Ist es möglich, ein Vergleichsfoto zu machen, werden diese oft dazu verwendet, die Realität mit dem Rendering zu vergleichen. Das Foto des real entstandenen Gebäudes sollte dem Rendering so ähnlich wie möglich sein und umgekehrt.
Es ist nicht mehr klar zu definieren, ob das Bild die Architektur oder die Architektur das Bild beeinflusst. Die Grenzen zwischen dem virtuell erzeugten Raum und der Realität beginnen zu verschwimmen. Genau das macht das Rendering so einzigartig. Nie zuvor wurden eigene Welten inszeniert, die vorspielen, real zu sein, um etwas zeigen, was es so überhaupt nicht gibt. Eine Gratwanderung zwischen Realität und Virtualität entsteht, die uns fasziniert und fesselt. Einfach zu lesen und zu verstehen, fühlt sich jeder von den bunten Bildern angezogen. Diese ganz neue Form der Darstellung ist aus unserem Alltag nicht mehr wegzudenken.
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Literaturverzeichnis
Helge Gerndt, Bildüberlieferung und Bildpraxis,
Vorüberlegung zu einer volkskundlichen Bildwissenschaft
Walter Leimgruber/Silke Andris/Christine Bischoff, Visuelle Anthropologie: bilder machen, analysieren, deuten und präsentieren
Hans Belting, Bild-Anthropologie