Gegenüberstellung der Ökobilanzen von Wärmedämmverbundsystem und Greenwall, gerechnet für einen Quadratmeter Wandfläche.
Quelle: Ökobilanzdaten
Legende:
UBP: Umweltbelastungspunkte
PEV: Primärenergieverbrauch
THG: Treibhausgasemissionen
WV: Wasserverbrauch
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Green Architecture
Andrea Eva Tüchler
1.
Meine Mutter lieh mir neulich ihre Plastiktragetasche. Sie war grün und auf ihr waren ECO und der Name der Herstellerfirma aufgedruckt. Ist die Tasche grün, weil bei ihrer Herstellung auf die Umwelt Rücksicht genommen wurde, oder ist sie einfach grün und behauptet, umweltfreundlich zu sein? Das Problem besteht darin, dass man die Umweltfreundlichkeit nicht weiter hinterfragt, weil wir in einigen Fällen aufgrund des Aussehens annehmen, dass etwas umweltfreundlich ist.
2.
In der Architektur ließe sich dieses Beispiel auf bepflanzte Wände, die scheinbare Symbiose zwischen Bauwerk und Natur, oder grüne Technologien, wie Solarkollektoren adaptieren. Das Verwaltungsgebäude des Musée du quai Branly in Paris ist beispielsweise zur Gänze in Vegetation gehüllt. Die einzigen Indizien, dass es sich hierbei um ein Bauwerk handelt, bleiben die Fenster, die sich von dem dichten Grün absetzen. In Wirklichkeit ist es nur eine bepflanzte Wand, die durch ihre natürliche Anmutung den Eindruck erweckt, umweltfreundlicher zu sein als andere Gebäude.1 Der Begriff grüne Architektur wird dadurch mit neuen Assoziationen und Interpretationsmöglichkeiten aufgeladen. Die Problematik liegt in der nicht ganz eindeutigen Definition des Begriffes grün.
3.
Osman Attmann beschreibt die grüne Architektur als abstraktes Konzept, welches die Begriffe der Nachhaltigkeit, Ökologie und Performanz einschließt. Er versucht damit den nicht fassbaren Begriff der grünen Architektur mit drei weiteren Begriffen zu definieren, die eine ebenso große Interpretationsvielfalt besitzen, wie der Terminus grün selbst. (Nachhaltiges Bauen / Performanz)
4.
Nach Sim Van der Ryn und Stuart Cowan minimiert die grüne Architektur ihren negativen Einfluss auf die Umwelt durch ihre Integration in lebendige Prozesse. Darunter wird auch verstanden, dass sie sich in ihre Umgebung und ihr soziales Gefüge eingliedert. Der Ressourcenverbrauch ist gering und steht durch die verwendeten Materialien in Korrelation zu ihrer direkten Umwelt. Sie sollte zu jeder Zeit, also von der Entstehung über die Nutzung bis hin zum Abbruch, energieeffizient sein und der natürliche Wasser- und Nährstoffkreislauf sollte bewahrt werden. Zudem sind Wohn- und Lebensqualität, die Einfluss auf die menschliche Gesundheit haben, fundamental.
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5.
Den Grundstein für umweltbewusstes Bauen legte Rachel Carson 1962. Mit ihrem Buch Silent Spring machte sie auf die Folgen chemischer Verschmutzung aufmerksam, welche durch die Industrialisierung verursacht werden. Grüne Bewegungen, die sich für den Umweltschutz einsetzten, formierten sich.
Die 80er machten grün erstmal zum Modewort. Die Politik befasste sich zunehmend mit der Umwelt und bediente sich dabei der Farbe der Natur, Grün.2 Die unterschiedlichen Tendenzen der grünen Bewegung wurden in dark green und light green unterteilt und gaben Auskunft über die radikale Umsetzung der ökologischen Ideologie. Timothy O‘Riordan nannte diese ecocentric und technocentric.
Die ökozentrische Strömung gab low-impact-Technologien den Vorzug und betrachtete die Umweltauswirkungen von Wirtschaftswachstum und Industrie kritisch. Die technozentrische Strömung war von technischem Fortschritt überzeugt, der den Menschen uneingeschränkte Vorzüge und Kontrolle über die Natur ermöglichen sollte. Im Gegensatz zu den ethisch sozialen Grundgedanken der ökozentrischen Strömung wurden Effizienz, Fortschritt und Kontrolle die ideologischen Gedanken hinter der Bewegung, die auf ein stabiles Wirtschaftswachstum ausgerichtet waren.3
6.
Mit dem Einzug des Begriffes grün in die Wirtschaft wurde das Greenwashing geboren. Das Schlagwort für Umweltbewusstsein wird heute für Imageaufbesserungen und Produktwerbung herangezogen. Hinter diesem ökologischen Versprechen stehen selten nachweisliche Änderungen in der Herstellung oder Verwendung von Materialien. Ein Produkt wird durch einen positiven Aspekt als ökologisch angepriesen, während andere, nicht ökologische Details verschwiegen werden. 4
(Nachhaltiges Bauen, Abs. 3)
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McDonalds änderte in seiner going green-Kampagne „als Bekenntnis und Respekt vor der Umwelt“ das Firmenlogo von Rot auf Grün. Laut Greenpeace beschränkte sich dieses Bekenntnis auf die Wahl eines grünen Designs.
Die technozentrische Strömung setzt voraus, dass nur ein stabiles Wachstum eine gleichermaßen stabile Umwelt schafft. Die Prioritäten liegen dabei ganz klar bei Effizienz und Wirtschaftswachstum und stehen damit über dem Erhalt von Natur und Rohstoffen.5
(Energieausweis, Abs. 9)
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7.
Die bereits angesprochenen begrünten Wände sind ein gutes Beispiel dafür. Horizontale Grünflächen werden aufgrund des steigenden Bedarfs an Wohnflächen geringer. Eine technische Lösung ermöglicht es, dass man den Grünraum in die Vertikale verlegt. Hinter den begrünten Fassaden steckt jedoch weit mehr Technik, als man auf den ersten Blick vermutet. Um die Anforderungen der Traglast zu erfüllen, sind Unterkonstruktionen aus Stahl üblich, die eine zusätzliche Distanz zwischen Wand und Vegetation schaffen um Feuchtigkeitsschäden zu vermeiden.
8.
In dem von Patrick Blanc patentierten System werden auf dieser Unterkonstruktion PVC-Platten montiert, die als Trägerschicht für ein doppelt gelegtes Acrylvlies dienen. Für die Verwendung nicht ökologischer Materialien wurde er bereits mehrfach kritisiert. Um den Pflanzen das Gedeihen auf der vertikalen Fläche zu ermöglichen, ist es nötig, für eine ständige Befeuchtung zu sorgen. Die Installation eines Bewässerungssystems ist daher unumgänglich und mit regelmäßigen Wartungen verbunden. Der Wasserverbrauch für Wände im Außenbereich beträgt im Durchschnitt pro Tag und Quadratmeter etwa drei Liter.6
Die künstliche Natur, die dadurch geschaffen wird, beruht auf nicht ökologischen Grundlagen, kann dadurch allerdings gezielt kontrolliert werden. Diese scheinbar natürliche Wand, die durch ihre positive Wirkung auf das Klima gerechtfertigt wird, verbirgt unter ihrem Pflanzenteppich viel Aufwand. Der Anteil an Energie, der für Herstellung und Transport der Unterkonstruktion und die Erhaltung der Grünfläche benötigt wird, wird wie so oft ausgeblendet.
(Energieausweis, Abs. 10)
9.
Vergleichsweise wäre es auch möglich, ohne zusätzliche grüne Technologien energiesparend die jeweiligen Qualitäten der Umgebung zu nutzen. In China gibt es Häuser, die sich Yao Dong nennen. Dabei handelt es sich um Unterkünfte, die in Löß gegraben wurden. Dieser ist nahezu ihr einziges Baumaterial, mit Ausnahme eines minimalen Verbrauchs an Holz, der für Fenster und Türen anfällt. Die Lößwand ist die einzige thermische Barriere, da das Material in der Lage ist, die Temperatur im Innenraum konstant zu halten. Es sind keine zusätzlichen technischen Eingriffe nötig um die Temperatur oder Belüftung zu regeln.7 Die Gebäude sind dadurch energieeffizient, haben keinen negativen Einfluss auf ihre Umgebung und gliedern sich in ihren räumlichen als auch sozialen Kontext ein.
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Greenwall
UBP: 2128 UBP
PEV: 9,29 kWh
THG: 2,327 kgCO2
WV: 3 L pro Tag
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Wärmedämmverbundsystem
UBP: 711 UBP
PEV: 3,117 kWh
THG: 0,722 kgCO2
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10.
Durch die Verwendung von energieeffizienten Technologien strebt man einen ähnlich niedrigen Verbrauch an. Forschungen zeigen jedoch, dass effizientere Technik, die den Bedarf an Energie senken sollte, dennoch zu einem erhöhten Verbrauch führt.
11.
Bereits 1865 entdeckte William S. Jevons ein Phänomen, das schon damals Aufschluss über die heutige Verbrauchergesellschaft geben konnte. Es zeigte, dass trotz erhöhten Wirkungsgrads der Verbrauch nicht geringer wurde, nein, im Gegenteil, er nahm sogar zu! Da ein niedrigerer Verbrauch gleichzeitig die Kosten reduzierte, stieg die Nachfrage.8 Dieselbe Feststellung wurde 1980 erneut belegt und als Khazzoom-Brookes-Postulat bekannt.
12.
Diese grünen Technologien, die aus der Motivation heraus entstanden sind, einen positiven Einfluss auf die Umwelt zu haben, bringen also keine Energieersparnis mit sich, da diese nur von den Nutzern durch bewussten Umgang mit Technik und Ressourcen erreicht werden kann. (Nachhaltiges Bauen, Abs. 4) Der Versuch, mit grünen Technologien Schäden zu vermeiden oder zu beheben, führt zu keinem direkten Sinnenswandel unserer Verbrauchergesellschaft, in der Konsum und Kontrolle von Bedeutung sind.9 Die kontrollierte Natur, die wir uns schaffen, ist ebenso wenig ökologisch, wie die scheinbar notwendigen Technologien, die uns suggerieren, dass ein Gebäude umweltfreundlich ist.
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Literaturverzeichnis